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Prozess nach Angriff am 13. Februar 2022: Straffreiheit für Neonazi

17. Juni 2024 - 10:56 Uhr

Screenshot aus dem Video, welches den Angriff auf das Presseteam dokumentiert.

Am Mittwoch, den 15. Mai, fiel das Urteil gegen einen Beschuldigten, der im Rahmen eines nicht angemeldeten Corona-Protests eine versuchte gefährliche Körperverletzung begangen hatte. Amtsrichterin Dr. Christine Mügge verurteilte ihn zu einer Haftstrafe von 6 Monaten, die auf 2 Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurden. Gegen Steven H., einen weiteren Täter, wurde das Verfahren bereits am ersten Verhandlungstag aus nicht nachvollziehbaren Gründen gegen Geldauflage eingestellt. Gegen die beiden Hauptbeschuldigten, den NPD- und Freie-Sachsen-Nazi Max Schreiber und seinen Bruder Moritz wurde die Hauptverhandlung am 14. Juni eröffnet. Die Gruppe hatte am 13. Februar 2022 bei einer Kundgebung in Laubegast mehrere Pressevertreter:innen angegriffen. 

Was war geschehen?

Am Abend des 13. Februar 2022 sammelte sich wie so oft in dieser Zeit eine Melange aus Verschwörungsideolog:innen, Rechtsradikalen und radikalisierten Bürger:innen aus der Pandemieleugner:innen-Szene im Dresdener Stadtteil Laubegast, um ihren Protest gegen die Corona-Politik zum Ausdruck zu bringen. Presseteams aus Dresden und Leipzig fuhren nach Laubegast, um diesen Aufmarsch zu dokumentieren. An ihrer Seite befanden sich zudem zwei Ehrenamtler:innen der Gruppe „Between the Lines“. Die Gruppe hat es sich aufgrund der vielen Angriffe auf Pressevertreter*innen zur Aufgabe gemacht, freie Journalist:innen vor Pöbler:innen abzuschirmen und so einen gewissen Schutz für deren Arbeit zu bieten. Ihr Vorhaben kündigten sie aufgrund der Gefahrenlage gegenüber der Polizei Sachsen an. Diese teilte jedoch mit, dass sie keine Kräfte vor Ort hätte und aufgrund der vielen Versammlungen in der Innenstadt auch keine stellen könnte.

Einen ausführliche Beitrag zum Gesamtgeschehen und den Tätern des Angriffs in Laubegast hat damals das Antifa-Recherche-Team verfasst.

Zudem existieren mehrere Videos, die das Pressekollektiv Vue Critique auf X veröffentlicht hat. Sie zeigen, wie ein wütender Mob aus teilweise bekannten Nazis und Verschwörungsideologen Pressevertreter:innen angreift.

Die Gruppe verfolgte ihre Ziele ausgehend von der Demonstrationen gegen die Corona-Politik über einen längeren Zeitraum, bedrohte sie und ging schließlich zum Angriff über. Dabei wurden

Einstellung des Verfahrens gegen Steven H.

Überraschend für Betroffene und Verfahrensbeobachter*innen wurde das Verfahren gegen Steven H. noch am ersten der drei Verhandlungstage wegen Geringfügigkeit gegen Geldauflage von 1.000 Euro eingestellt.  H. hatte bei dem Angriff mehrmals in Richtung der Angegriffenen getreten und diese dabei auch verletzt. Von ihm dürfte zudem die Aussage: „Du bist tot Junge, wenn ich dich in die Finger kriege!“, stammen, die im zweiten Video (0:36) zu vernehmen ist. 

Die Einstellung geschah auf Initiative des Staatsanwalts mit Billigung durch Richterin Christin Mügge. Der Widerspruch der Nebenklage, vertreten durch Rechtsanwalt Mark Feilitzsch, blieb dabei ungehört. Dieser Vorgang war besonders bemerkenswert, da er sowohl vor der Anhörung der relevanter Zeug:innen als auch der Inaugenscheinnahme der Tatvideos erfolgte. Der Beschuldigte H. musste nicht einmal sein schuldhaftes Verhalten eingestehen. Dies tat er auch zu keinem Zeitpunkt. Vielmehr schrieb er in seiner Einlassung zu Beginn sein aggressives, gewaltvolles Handeln den Opfern seiner Übergriffe zu.

H. behauptete, dass es seine erste Demonstration und „alles neu“ gewesen sei. Dabei handelt es sich um eine platte Lüge, die einfach zu überprüfen gewesen wäre. Schon Wochen vor den Übergriffen in Dresden Laubegast lief H. regelmäßig bei Querdenken-Demos mit, inszenierte sich auch eine Zeit lang als ‚Personenschützer‘ des Verschwörungsdemagogen Marcus Fuchs und hatte auch schon am ‚offenen Mikrofon‘ auf der Querdenken-Bühne gesprochen (siehe Video auf X aus Oktober 2021).

Video von Eric Hofmann (@RPFDMOPO) auf X

Bei seiner Einlassung inszenierte sich Steven H. durchgängig als erfahrener ‚Personenschützer‘ und dozierte geradezu, warum sein Verhalten angeblich angemessen und deeskalierend gewesen sei und er sich nur ‚verteidigt‘ habe. Auch habe er zu dem Zeitpunkt nicht gewusst, dass Pressevertreter:innen Bildaufnahmen und Videos von Demonstrationen machen dürfen, führte H. als weiteres Argument seiner ‚Unschuld‘ an. Er machte es der Pressegruppe gar zum Vorwurf, dass sie sich zu ihrem Schutz zusammengefunden hätten und nicht Hals über Kopf geflohen seien. 

Insofern Steven H. seine Geldauflage von 1.000 Euro fristgerecht bezahlt, geht er ohne jede weitere Konsequenz aus dem Verfahren. Die Geldauflage soll auf Beschluss der Richterin an „Reporter ohne Grenzen“ gehen. Die zeigten sich allerdings entsetzt von der fragwürdigen Entscheidung einer Verfahrenseinstellung.

Reaktion von „Reporter ohne Grenzen“ auf die problematische Verfahrenseinstellung

Zudem hat das Sächsisches Justizministerium eine Richtlinie erlassen, nach der Verfahren gegen Beschuldigte, die Pressevertreter*innen angegriffen haben sollen, keinesfalls einzustellen sind. Das haben Staatsanwalt und Richterin schlichtweg ignoriert und ein weiteres Kapitel der Straffreiheit für Neonazis in Sachsen geschrieben.


Veröffentlicht am 17. Juni 2024 um 10:56 Uhr von Redaktion in Antifa, Events, Nazis

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